Der Insolvenzeröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit ist in § 17 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) geregelt. Es handelt sich um den allgemeinen Eröffnungsgrund. Darunter versteht man, dass der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund für alle Insolvenzverfahren und alle Schuldner:innen gilt. Statistisch gesehen wird eine weit überwiegende Anzahl der Insolvenzanträge auf diesen Insolvenzgrund gestützt.
- Was bedeutet Zahlungsunfähigkeit?
- Ab welcher Höhe der Schulden spricht man von Zahlungsunfähigkeit?
- Welchen Zeitraum muss ich bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit berücksichtigen?
- Wie kann die Zahlungsunfähigkeit geprüft werden?
- Was ist der Unterschied zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit?
- Was bedeutet Zahlungseinstellung gemäß § 17 Abs.2 S.2 InsO?
Was bedeutet Zahlungsunfähigkeit?
Der Begriff Zahlungsunfähigkeit ist in § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO legaldefiniert. Danach liegt der Zustand vor, wenn Schuldner:innen nicht in der Lage sind, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Auf eine Kenntnis der Schuldner:innen von der Zahlungsunfähigkeit kommt es nicht an.
Diese Definition ist jedoch sehr weit gefasst und dementsprechend schwer zu greifen. Konkretisiert wird der Begriff daher durch die Rechtsprechung. Ohne dass es der Legaldefinition zu entnehmen ist, hat der Bundesgerichtshof (BGH) einige Richtwerte entwickelt. Diese Richtwerte sind nicht starr. Allerdings werden sie als Orientierungswert der Frage, ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt, meist berücksichtigt.
Nach der Rechtsprechung des BGH dürfen Schuldner:innen ihre fälligen Zahlungsverbindlichkeiten nicht binnen einer Frist von 3 Wochen (Dauer) ausgleichen können. Ferner muss eine Unterdeckung von mehr als 10 % vorliegen, damit die Unfähigkeit zur Zahlung angenommen werden kann.
Ab welcher Höhe der Schulden spricht man von Zahlungsunfähigkeit?
Die Entscheidung des BGH bedeutet, dass die Schuldner:innen 10 % oder mehr ihrer insgesamt bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können. Wird der prozentuale Schwellenwert von 10 % erreicht oder überschritten, so begründet dies die widerlegbare Vermutung, dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt, BGH IX ZR 123/04.
Es sei an dieser Stelle jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Unterdeckung von weniger als 10 % nicht automatisch den Nachweis der Zahlungsfähigkeit mit sich bringt. Auch bei einer Unterdeckung von weniger als 10 % kann durch Hinzutreten weiterer besonderer Umstände der Zustand i. S. d. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO angenommen werden.
Zahlungspflichten i. S. d. § 17 Abs. 2 InsO sind ausschließlich Geldschulden. Problematisch können hier streitige Verbindlichkeiten sein. Diese sind im Einzelfall zu bewerten. Die Zahlungspflichten müssen auch fällig sein, § 271 BGB. Dies ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn eine Stundung vereinbart wurde.
Welchen Zeitraum muss ich bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit berücksichtigen?
Grundsätzlich sind nach der Rechtsprechung des BGH 3 Wochen bei der Beurteilung zu berücksichtigen.
Hierbei sind insbesondere auch fällige und fällig werdende Forderungen zu berücksichtigen, soweit ein Zahlungseingang innerhalb der 3-Wochen-Frist zu erwarten ist.
Wie kann die Zahlungsunfähigkeit geprüft werden?
Die Unfähigkeit zur Zahlung kann durch einen Finanzplan festgestellt werden. Dieser besteht aus Liquiditätsbilanz und Prognose. In der Liquiditätsbilanz sind auf der Aktivseite die am Stichtag verfügbaren innerhalb der Karenzzeit von 3 Wochen zu realisierenden Mittel aufzuführen. Auf der Passivseite der Liquiditätsbilanz sind die am Stichtag fälligen sowie die im Prognosezeitraum fällig werdenden Verbindlichkeiten einzubeziehen.
Was ist der Unterschied zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit?
Keine Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn Schuldner:innen tatsächlich bloß zahlungsunwillig sind. Für diesen Fall sieht das Gesetz das Mittel der Zwangsvollstreckung vor. Zahlungsunwilligkeit liegt jedoch nur dann vor, soweit ausreichende Liquidität vorhanden ist. Eine vorgeschobene Zahlungsunwilligkeit schützt Schuldner:innen nicht.
Was bedeutet Zahlungseinstellung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO?
In § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO stellt der Gesetzgeber eine gesetzliche Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit auf, wenn Schuldner:innen ihre Zahlungen einstellen. Es handelt sich um eine Beweislastregelung. Unter einer Zahlungseinstellung ist nach der Rechtsprechung des BGH das nach außen hervortretenden Verhalten der Schuldner:innen zu verstehen, mit dem sich typischerweise ausdrückt, dass sie nicht der Lage sind, ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.
Den Verkehrskreisen, die mit den Schuldner:innen zu tun haben, muss sich danach der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass die Schuldner:innen außerstande sind, ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist in dem jeweiligen Einzelfall zu prüfen.
Die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit ist ein juristisches Spezialgebiet, welches sich in den vergangenen Jahren stetig wandelte und dementsprechende Expertise bedarf. In der Kanzlei FUCHS ∙ ROHRBACH Rechtsanwälte betreut Rechtsanwalt Maximilian Rohrbach das Dezernat.