OLG Bremen erlaubt Zwangsentsperrung von Smartphones per Fingerabdruck

Ein Finger, ein Klick – und schon ist das Handy offen. Doch was, wenn dieser Klick nicht freiwillig geschieht? Das Oberlandesgericht Bremen hat nun entschieden: Die zwangsweise Entsperrung eines Smartphones mit dem Fingerabdruck des Beschuldigten ist unter bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig (Beschluss vom 08.01.2025, Az. 1 ORs 26/24).

Hintergrund: Polizei entsperrt Smartphone gegen den Willen des Beschuldigten

Im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts auf Verbreitung kinderpornografischer Inhalte (§ 184b StGB) wurde ein Smartphone gefunden – direkt neben dem Beschuldigten, der zuvor behauptet hatte, kein funktionierendes Gerät zu besitzen. Als er sich weigerte, es freiwillig zu entsperren und versuchte sich der Maßnahme zu entziehen, setzten die Polizeibeamten ihn fest und entsperrten das Gerät gegen seinen Willen durch Auflegen seines Fingers auf den Sensor.

Mit Urteil vom 29.08.2023 verhängte das Amtsgericht Bremerhaven gegen den Angeklagten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eine Geldstrafe. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein. Die Berufung des Angeklagten wurde durch das Landgericht Bremen mit Urteil vom 07.03.2024 als unbegründet verworfen. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Revision ein, die er damit begründete, dass er aufgrund des strafverfahrensrechtlichen und verfassungsrechtlich verankerten Selbstbelastungsverbots keine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Entsperrung des Mobiltelefons hatte und die Maßnahme daneben auch unverhältnismäßig war.

Der Fall landete schließlich vor dem OLG Bremen – mit der zentralen Frage: Darf der Staat ein Smartphone zwangsweise entsperren?

Entscheidung des OLG: Zwang möglich – aber nicht grenzenlos

Das OLG bejahte die Rechtmäßigkeit der Maßnahme. Sie sei durch § 81b Abs. 1 Satz 1 StPO gedeckt. Dieser erlaubt körperliche Maßnahmen zur Identitätsfeststellung – etwa die Abnahme von Fingerabdrücken. Die Vorschrift sei dabei technikoffen und umfasse auch moderne Formen wie die biometrische Entsperrung von Smartphones. 

Zudem beinhaltet § 81b StPO eine sogenannte Annexkompetenz, die auch eine Ermächtigung zur Anwendung unmittelbaren Zwanges zur Durchsetzung der betreffenden Maßnahme rechtfertigt – in diesem Fall also das zwangsweise Auflegen des Fingers auf den Sensor. 

Ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstbelastungsfreiheit (nemo-tenetur-Grundsatz) liegt nicht vor. Der Grundsatz untersage lediglich Zwang durch aktive Mitwirkung, nicht die passive Duldung von Beweisermittlungsmaßnahmen. Auch der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei im konkreten Fall verhältnismäßig.

Grenzen des Zugriffs: Nicht alles ist erlaubt

Trotz der grundsätzlichen Zulässigkeit der Maßnahme setzt das Gericht klare Schranken:

  • Keine Herausgabe von Passwörtern oder PINs darf erzwungen werden – dies wäre aktive Mitwirkung und damit unzulässig.
  • Die Entsperrung des Geräts berechtigt nicht automatisch zum Zugriff auf gespeicherte Inhalte. Hierfür gelten die strengeren Regeln zur Durchsuchung und Beschlagnahme. 
  • Die Anwendung von körperlicher Gewalt ist nur im erforderlichen Maß zulässig. Entwürdigende oder übermäßige Gewaltanwendung ist verboten. 
Fazit: Bedeutung für die Praxis

Der Beschluss des OLG Bremen verdeutlich die wachsende Relevanz von digitalen Grundrechten im Spannungsfeld mit staatlichen Ermittlungsinteressen. Die Entscheidung stärkt die Handlungsfähigkeit der Strafverfolgungsbehörden – bindet diese aber an strenge rechtliche Vorgaben. 

Für Beschuldigte und Verteidiger gilt: Maßnahmen genau prüfen, insbesondere im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit und Verwertbarkeit der gewonnen Beweise.

Abschließender Tipp: Wer sensible Daten auf seinem Smartphone schützt, sollte aus rechtlicher Sicht auf biometrische Entsperrung verzichten und lieber einen PIN nutzen. 

In allen strafrechtlichen Belangen vertritt und berät Sie gern Rechtsanwältin Frau Kumru Dursun.