Ein Strafverfahren dient der Wahrheitsfindung, der Rechtsstaatlichkeit und dem Rechtsfrieden. Um eine faire und transparente Strafverfolgung sicherzustellen, folgt das Verfahren festen Regeln und durchläuft mehrere Phasen. Dieser Leitfaden bietet einen strukturierten Überblick über die einzelnen Abschnitte des Strafverfahrens in Deutschland.
1. Erkenntnisverfahren
Das Erkenntnisverfahren klärt, ob eine Person eine Straftat begangen hat. Es umfasst drei Abschnitte: das Ermittlungsverfahren, das Zwischenverfahren und das Hauptverfahren.
a) Ermittlungsverfahren
Das Ermittlungsverfahren wird durch eine Strafanzeige oder von Amts wegen eingeleitet, sobald Polizei oder Staatsanwaltschaft Kenntnis von einer möglichen Straftat erlangen. Dabei wird geprüft, ob ein Anfangsverdacht besteht, also konkrete Hinweise vorliegen, die auf eine strafbare Handlung hindeuten. Ist dies der Fall, beginnen die Ermittlungen.
Die Staatsanwaltschaft führt das Strafverfahren und koordiniert die polizeilichen Ermittlungen. Dazu gehören die Sammlung von Beweisen, Zeugenbefragungen und gegebenenfalls die Einbeziehung von Sachverständigen. Am Ende des Ermittlungsverfahrens entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht, der eine Anklage rechtfertigt, oder ob das Verfahren eingestellt wird. Ein hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch.
Statistik zur Verfahrenseinstellung: Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 5,5 Millionen staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren abgeschlossen, von denen 59 % eingestellt wurden.

b) Zwischenverfahren
Ergibt die Ermittlung einen hinreichenden Tatverdacht, erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage oder beantragt einen Strafbefehl. Das zuständige Gericht prüft, ob die Anklage hinreichend begründet ist und entscheidet, ob das Hauptverfahren eröffnet wird oder das Verfahren mangels Tatverdachts eingestellt bleibt. Der hinreichende Tatverdacht wird also erneut durch das Gericht geprüft.
Das Strafbefehlsverfahren ist ein vereinfachtes Verfahren für geringfügige Straftaten und dient der Vermeidung einer Hauptverhandlung. Wenn die Voraussetzungen vorliegen, wird der Strafbefehl auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Amtsgericht erlassen und kann Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr auf Bewährung enthalten. Der Beschuldigte kann innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen. Erfolgt kein Einspruch, wird der Strafbefehl rechtskräftig und wirkt wie ein Urteil. Erfolgt ein Einspruch, wird das Hauptverfahren eingeleitet.
c) Hauptverfahren
Das Hauptverfahren beginnt mit der Eröffnung der Hauptverhandlung. Die Hauptverhandlung ist Kernstück dieses Verfahrensabschnittes. In der Gerichtsverhandlung werden (erneut) alle Beweise erhoben, Zeugen gehört und der Angeklagte befragt. Ziel ist es, den in der Anklageschrift vorgeworfenen Sachverhalt festzustellen. Die Hauptverhandlung endet mit einem Urteil, das entweder auf Freispruch oder auf eine Strafe hinausläuft. Auch eine Verfahrenseinstellung ist im Hauptverfahren noch möglich.
Gegen ein Urteil können sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel einlegen.
2. Vollstreckungsverfahren
Wird das Urteil rechtskräftig, beginnt die Strafvollstreckung. Geldstrafen werden eingezogen, Freiheitsstrafen vollzogen. Auch Bewährungsauflagen und weitere gerichtliche Anordnungen werden in dieser Phase umgesetzt. Die Leitung des Vollstreckungsverfahren obliegt erneut der Staatsanwaltschaft.
Fazit:
Das Strafverfahren folgt einem klaren und strukturierten Ablauf, um eine faire und rechtmäßige Behandlung aller Beteiligten zu gewährleisten. Jede Phase ist darauf ausgerichtet, die Wahrheit zu ermitteln und die Rechte aller zu wahren. Die hohe Zahl an eingestellten Verfahren zeigt, wie entscheidend eine sorgfältige Prüfung im Ermittlungsverfahren ist, um unnötige Hauptverhandlungen und strafrechtliche Sanktionen zu vermeiden und gleichzeitig Kosten zu sparen.
Gerne vertritt Sie in strafrechtlichen Angelegenheiten Rechtsanwältin Frau Kumru Dursun.