Jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin hat während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Der gesetzlich festgelegte Mindesturlaub beträgt vier Wochen im Kalenderjahr. Dies entspricht 24 Werktagen bei einer 6-Tage-Woche und 20 Werktagen bei einer 5-Tage-Woche. Bei einer kürzeren Wochenarbeitszeit wird der Urlaub entsprechend angepasst.
Zusätzlich kann es einen Anspruch auf weiteren bezahlten Mehrurlaub geben, der durch Arbeits- oder Tarifverträge geregelt ist. Hierbei kann der Verfall des Urlaubs jedoch gesondert behandelt werden.
Der Grundsatz:
Der Urlaubsanspruch ist grundsätzlich auf das Kalenderjahr befristet (§ 1 BUrlG).
Mögliche Ausnahmen:
Der Urlaubsanspruch kann auf das folgende Kalenderjahr übertragen werden, wenn „dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe“ dies rechtfertigen (§ 7 Abs. 3 BUrlG). In diesem Fall muss der Urlaub innerhalb der ersten drei Monate des neuen Jahres genommen werden.
Früher verfiel der Urlaub nach Ablauf dieser drei Monate, wenn die Arbeitnehmer nicht um eine Urlaubsfreistellung gebeten hatten. Seit den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2022 ist jedoch klar, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nur unter „besonderen Umständen“ eingeschränkt werden darf. In der Regel verfällt der Urlaub also nicht mehr, es sei denn, es liegen solche besonderen Umstände vor.

Diese besonderen Umstände dürfen nicht auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass die Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt haben. Vielmehr ist es die Pflicht des Arbeitgebers, seine Beschäftigten aktiv dazu zu ermutigen, ihren Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen, und ihnen die Möglichkeit dazu zu geben.
Der Arbeitgeber muss jeden Arbeitnehmer individuell und transparent darüber informieren, wie viel bezahlten Jahresurlaub er noch hat. Zudem muss er ihn ausdrücklich auffordern, diesen zu nehmen. Zudem muss er klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfällt, wenn er nicht genommen wird.
Was bedeutet das konkret?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, jedes Jahr rechtzeitig und konkret durch ein zugangsbedürftiges Schreiben (eine E-Mail ist ausreichend) jeden Arbeitnehmer aufzufordern, seinen noch bestehenden Urlaub innerhalb eines bestimmten Zeitraums (entweder im Kalenderjahr oder bis zum Ende des Übertragungszeitraums) zu nehmen. Dabei muss er auch darauf hinweisen, dass der Urlaub andernfalls verfällt.
Es reicht in der Regel aus, diese Aufforderung einmal zu Beginn des Jahres zu versenden, vorausgesetzt, der Arbeitgeber gewährt den Urlaub innerhalb des genannten Zeitraums. Es ist jedoch empfehlenswert, diese Aufforderung zu Beginn des vierten Quartals zu versenden und sicherzustellen, dass die Beschäftigten den Urlaub auch tatsächlich nehmen können.
Für die Arbeitnehmer hat sich die Situation verbessert: Wenn es kein solches Schreiben gibt, verfällt der Urlaub nicht. Dies gilt auch für zurückliegende Urlaubszeiträume.
Gern steht Ihnen Rechtsanwältin Frau Babette Kusche bei weiteren Rückfragen zur Verfügung.