In seinem Urteil vom 25.01.2023 (BGH 25.01.2023 – 6 StR 298/22) hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinanderzusetzen, ob auch der Schuh am Fuß des Täters ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB sein kann.
I. Der Hintergrund
Der § 224 StGB regelt die gefährliche Körperverletzung. Diese stellt eine Qualifikation zu der einfachen Körperverletzung gemäß § 223 StGB dar. Die Qualifikation wirkt sich auf die Strafe aus, indem sie den Strafrahmen des § 223 StGB, der von Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren reicht, bei Vorliegen einer Qualifikation gemäß § 224 StGB erweitert. In einem solchen Fall des § 224 StGB reicht der Strafrahmen von Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
§ 224 Abs. 1 Nr. 1 – 5 StGB regelt dabei abschließend, wann eine Qualifikation zur begangenen Körperverletzung vorliegt. Gemäß § 224 StGB macht sich demnach strafbar, wer eine „einfache“ Körperverletzung nach § 223 StGB mit einer Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 1 – 5 StGB begeht. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Entscheidung ist besonders auf die Qualifikation gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB einzugehen.
II. Ein gefährliches Werkzeug
Die Qualifikation gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt vor, wenn der Täter die Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs begeht. Während der Begriff der „Waffe“ greifbarer ist, stellt sich beim Begriff des „anderen gefährlichen Werkzeugs“ erst einmal die Frage, welche Gegenstände diesem Merkmal unterfallen. Dabei wird aus dem Wortlaut „oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs“ aufgrund der Worte „oder eines anderen“ häufig eine Vergleichbarkeit zu einer Waffe gefordert. Unter dieser Annahme ist es fraglich, ob auch ein Turnschuh ein solches gefährliches Werkzeug darstellen kann. Im klassischen Sinn wird zuerst an kleine Messer, spitze Gegenstände oder schwere Gegenstände zu denken sein, die aufgrund ihrer Beschaffenheit, nahezu wie eine Waffe, zum zielgerichteten Schlagen oder Stechen auf einen Körper eingesetzt werden kann. Der Wortlaut des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB lässt einen Interpretationsspielraum dahingehend, welche Gegenstände gefährliche Werkzeuge sind. Aus diesem Grund ist es umstritten, was unter einem gefährlichen Werkzeug zu verstehen ist.
Vor diesem Hintergrund hat der BGH den Begriff des gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB definiert. Ein gefährliches Werkzeug ist demnach jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und Art seiner Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (BGH, Urteil vom 24.09.2009, 4 StR347/09, NStZ 87, 174). In Anbetracht der Definition stellt sich die Frage, ob ein Schuh einen Tritt mit dem Fuß aufgrund seiner Beschaffenheit gefährlicher werden lässt oder diesen Tritt in seiner Wirkung sogar mildert.
III. Der zugrunde liegende Sachverhalt
Im Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH zugrunde liegt, kam es zwischen mehreren Personen zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf der zunächst nicht an der Auseinandersetzung beteiligte Angeklagte an sein Opfer herantrat und gewaltsam auf dieses einwirkte. Unter anderem versetzte der Täter dem Opfer einen wuchtigen Faustschlag, in dessen Folge das Opfer zu Boden stürzte. Als sich das Opfer vom Boden aus aufrichten wollte, trat der Angeklagte ihm schwungvoll und mit vorherigem Anlauf gezielt „mit seinem mit einem Turnschuh mit weicher Sohle beschuhtem rechten Fuß“ wuchtig ins Gesicht. Das Opfer fiel aufgrund des Trittes zu Boden und blieb liegen, wobei es kurzzeitig sein Bewusstsein verlor (BGH, Urteil vom 25.01.2023 – 6 StR 298/22).
IV. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der BGH hat entschieden, dass der Turnschuh in dem vorliegend festgestellten Sachverhalt die Voraussetzungen eines „anderen gefährlichen Werkzeugs“ erfüllt. Mithin hat der Täter nach der Ansicht des BGH die Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB vollendet, als er dem Opfer mit dem „mit weicher Sohle beschuhtem rechten Fuß“ wuchtig ins Gesicht trat. Der BGH führt zur Begründung seiner Entscheidung aus:
„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Frage, ob der Schuh am Fuß des Täters als ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusehen ist, auf die Umstände des Einzelfalls an, unter anderem auf die Beschaffenheit des Schuhs sowie darauf, mit welcher Heftigkeit und gegen welchen Körperteil getreten wurde. Ein Straßenschuh von üblicher Beschaffenheit stellt regelmäßig ein gefährliches Werkzeug dar, wenn damit einem Menschen gegen den Kopf getreten wird. Das gilt jedenfalls für Tritte in das Gesicht des Opfers. Entsprechendes ist anzunehmen, wenn der Täter Turnschuhe der heute üblichen Art trägt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 15. September 2010 – 2 StR 395/10, NStZ – RR 2011, 337; Beschluss vom 13. Mai 2015 – 2 StR488/14 Rn. 4; Urteil vom 28. August 2019 – 5 StR298/19 Rn. 10). Danach drängt es sich den Feststellungen zufolge auf, dass es sich bei dem Turnschuh, mit dem der Angeklagte dem Nebenkläger schwungvoll und mit zwei Schritten Anlauf wuchtig ins Gesicht trat, so dass dieser rückwärts zu Boden fiel und kurzzeitig bewusstlos wurde, um ein gefährliches Werkzeug handelte.“
(BGH, Urteil vom 25.01.2023 – 6 StR 298/22)
V. Das Fazit
Nach der Ansicht des Bundesgerichtshofes stellt der am Fuß getragene Schuh des Täters ein gefährliches Werkzeug dar, das in Erfüllung des Qualifikationstatbestandes des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB zu berücksichtigen ist. Die „weiche Sohle“ des Turnschuhes vermochte der Annahme eines gefährlichen Werkzeugs demnach nicht entgegenzustehen.
In allen strafrechtlichen Fällen vertritt und berät Sie gern Rechtsanwalt Herr Henrik Lüth.