BGH: Ab einem Grenzwert von 7,5 g THC liegt eine nicht geringe Menge Cannabis vor

Mit dem Inkrafttreten des neuen Konsumcannabisgesetz (KCanG) am 01.04.2024 wird dessen Auswirkung mit Spannung erwartet. Wie weit geht die mit dem Gesetz einhergehende Liberalisierung von Cannabis in Deutschland? Gemäß § 3 KCanG ist es nunmehr legal für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, eine Menge von 25 – 50 g Cannabis zum Eigenkonsum zu besitzen.

Der Bundesgerichtshof (1. Strafsenat) hat mit seinem Beschluss vom 18.04.2024, 1 StR 106/2, die erste weitreichende Entscheidung in Bezug auf das neue Gesetz getroffen. In diesem Beschluss entschied der BGH, dass der Grenzwert einer nicht geringen Menge auch nach der Gesetzesänderung weiter bei 7,5 g THC liegt. Der Grenzwert bleibt damit nach Ansicht des BGH wie seit 30 Jahren unverändert. Die seit dem 01.04.2024 erlaubte Besitzmenge von 25 – 50 g Cannabis pro Person (gemäß § 3 KCanG) vermag die Einschätzung zur Gefährlichkeit des Wirkstoffes nicht zu verändern. Die Risikoverwertung bleibt trotz der eingetretenen Liberalisierung die gleiche.

Dabei widerspricht der BGH der Gesetzesbegründung des Gesetzgebers aus dem Konsumcannabisgesetz. In dieser wird zur Bestimmung des Grenzwertes nach § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 KCanG in BT-Drucks. 20/8704 S. 132 ausgeführt, dass der konkrete Wert abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis von der Rechtsprechung aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln sei. Weiter heißt es auf derselben Seite in der BT-Drucks. 20/8070, im Lichte der legalisierten Mengen werde man an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können und der Grenzwert müsse deutlich höher liegen als in der Vergangenheit. Der BGH hat dazu jedoch eine andere Auffassung und behält den ursprünglichen Grenzwert bei.

Zum Hintergrund

Hintergrund des Beschlusses war die Aufhebung einer Entscheidung des Landgerichts Ulm. Dieses hatte in seiner Entscheidung zwei Männer zu einer Haftstrafe von 4,5 Jahren verurteil. Die beiden Männer hatten eine Marihuana Plantage in der Absicht betrieben, das angebaute Marihuana an eine Bandenorganisation weiterzugeben. Sie wussten, dass die Bandenorganisation das Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf verwenden wollte. Von der Bandenorganisation erhielten die beiden
Männer für ihre Tätigkeit 1.000,00 € plus freie Kost und Logis. Bei einer Durchsuchung des Anwesens der Männer fanden sich dort über 1.763 Cannabispflanzen mit mindestens 160 kg Marihuana und einer Gesamtmenge von 22.105 THC. Das Landgericht Ulm verurteilte die beiden Männer gemäß § 29 a BtMG wegen dem verbotenen Besitz von Cannabis in Tateinheit mit Beihilfe zum verbotenen Handeltreiben mit Cannabis. § 29 a BtMG eröffnet einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe. Bei der Entscheidung wurde strafschärfend berücksichtigt, dass der Grenzwert einer nicht geringen Menge von 7,5 g THC überschritten war und mithin die Herstellung einer nicht geringen Menge Cannabis
vorlag.

Zum aktuellen Beschluss

In seinem aktuellen Beschluss hob der BGH diese Entscheidung vor dem Hintergrund der seit dem 01.04.2024 in Kraft getretenen Neuerungen durch das Konsumcannabisgesetz auf und verwies es zur Neuentscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts, ohne vom vorherigen Grenzwert einer nicht geringen Menge von 7,5 g THC abzuweichen. Das neue Konsumcannabisgesetz hat jedoch eine teilweise Entkriminalisierung vom Cannabisbesitz zur Folge. Anders als § 29 a BtMG vorher sieht § 34 Abs. 3 S. 1 KCanG nur noch einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. In § 34 KCanG sind die Strafvorschriften des neuen Gesetzes geregelt. Es macht sich nunmehr strafbar, wer 30 bis 60 Gramm Cannabis bezogen auf das Gewicht nach dem Trocknen besitzt (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 a, b KCanG) oder wer mehr als drei lebende Cannabispflanzen besitzt (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 c KCanG).
Ein besonders schwerer Fall wird gemäß § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 KCanG auch im neuen Gesetz geregelt. Ein solcher liegt vor, wenn eine Straftat nach § 34 Abs. 1 KCanG begangen wird und sich die Handlung auf eine nicht geringe Menge bezieht. Im vergleich zur vorherigen Rechtslage liegt somit trotz der Liberalisierung ein besonders schwerer Fall weiterhin vor, wenn der Grenzwert einer nicht geringen Menge überschritten wird.

Das Fazit des Bundesgerichtshofs

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung des Strafrahmens hat der BGH das zugrunde liegende Urteil des Landgerichts Ulm aufgehoben. Der veränderte Strafrahmen müsse sich nach BGH-Ansicht auf das ursprünglich ausgesprochene Strafmaß auswirken. Unter dieser Berücksichtigung sei die Verurteilung zu einer Haftstrafe von 4,5 Jahren nicht mehr zu begründen. Mit dieser Entscheidung reagiert der BGH auf die Liberalisierung von Cannabis durch den Gesetzgeber. Mit seiner Entscheidung bezüglich des Grenzwertes einer nicht geringen Menge zeigt er mit der Beibehaltung des Grenzwertes von 7,5 g THC aber auch die Grenzen der Entkriminalisierung von Cannabis auf. Dieser Grenzwert steht im Gegensatz zu den Gesetzesbegründungen des Gesetzgebers. In Hinsicht auf § 3 KCanG tut sich die Frage auf, ob mit einem erlaubten Besitz von 50 g Cannabis aus eigenem Anbau am Wohnort der Grenzwert von 7,5 g THC immer eigehalten werden kann. Der Beschluss des BGH, vom 18.04.2024, 1 – StR 106/2, wird somit weitreichende Folgen für eine Anwendbarkeit des § 3 KCanG zur Folge haben. Der BGH begründet die Entscheidung des Grenzwertes mit einer äußerst gefährlichen Dosis des Wirkstoffs.

Bei allen Fragen rund um das neue Konsumcannabisgesetz sowie weiteren strafrechtlichen Themen berät Sie gern Rechtsanwalt Herr Henrik Lüth.