Die strafrechtlichen Folgen von Alkohol am Steuer sind Vielen bekannt. Wenn das Auto stehen bleiben muss, stellt sich deshalb die Frage, wie man nach Hause oder des weiteren Weges kommt. Die Antwort ist häufig das Taxi. Andere nehmen das Fahrrad oder seit neuerem auch den E-Scooter. Ob für die Nutzung durch Pendler oder den abendlichen Heimweg aus dem Restaurant oder der Bar, die E-Scooter bieten für kurze Strecken scheinbar einen tollen Vorteil, wenn man das Auto stehen lassen will oder muss.
Dabei stellt sich die Frage: Darf ich einen E-Scooter ungeachtet des Einflusses von Alkohol fahren? Mit dieser Frage beschäftigten sich bereits mehrere Gerichte. So unter anderem das OLG Braunschweig, Urteil vom 30.11.2023 – 1 ORs 33/23 und der Bundesgerichtshof mit seinem Beschluss vom 13.04.2023 – 4 StR 439/22.
Die Antwort auf die Frage, ob man einen E-Scooter ungeachtet des Einflusses von Alkohol fahren darf, lautet: NEIN! Für den E-Scooter können die gleichen Regelungen gelten, wie für den PKW.
Vor dem Hintergrund dieser Frage beschäftigt sich dieser Beitrag zunächst mit der Strafbarkeit von Alkohol im Straßenverkehr und betrachtet unter diesen Voraussetzungen die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichtes Braunschweig hinsichtlich der E-Scooter.
1. Strafbarkeit der Trunkenheit im Straßenverkehr
Die Trunkenheit im Straßenverkehr ist gemäß des § 316 StGB unter Strafe gestellt. Dort heißt es, wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Die Vorschrift des § 316 StGB bezweckt den Schutz der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs.
Der öffentliche Straßenverkehr ist dabei der der Fortbewegung dienende Verkehr von Fahrzeugen und Fußgängern auf allen Wegen, Plätzen, Durchgängen und Brücken, die jedermann oder wenigstens allgemein bestimmten Gruppen von Benutzern, wenn auch nur vorübergehend oder gegen Gebühr, zur Verfügung steht. Das bedeutet, dass danach auch Privatwege öffentlich sein können, wenn diese durch einen unbestimmbaren oder zahlenmäßig nicht eng begrenzten Personenkreis von Berechtigten zugelassen wird. So ist z.B. der Supermarktparkplatz in der Regel erfasst, der private Parkplatz einer Firma hingegen nicht. Ein Fahrzeug im Sinne des § 316 StGB ist jedes Beförderungsmittel beliebiger Art zum Zweck der Fortbewegung im öffentlichen Verkehr. Darunter fallen klassische Kraftfahrzeuge wie der PKW, LKW, Krafträder, Schienenfahrzeuge, Motorschiffe und Motorflugzeuge, aber auch Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne von § 1 eKFV wie E-Scooter. Auch nicht mit Motorkraft angetriebene Fahrzeuge wie Fahrräder oder Segelboote sind Fahrzeuge im Sinne des § 316 StGB.
Damit eine Strafbarkeit in Betracht kommt, muss ein solches Fahrzeug ferner im Zustand der Fahruntüchtigkeit im öffentlichen Straßenverkehr geführt worden sein. Dieser Zustand liegt vor, wenn der Fahrer infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Die sogenannten anderen berauschenden Mittel, beziehen sich vor allem auf den Konsum von Drogen. Die Fahruntüchtigkeit liegt dabei vor, wenn der Fahrer sich zum Tatzeitpunkt in einem Zustand befindet, in dem er nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Dieser Zustand wird nach der verkehrsspezifischen Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrers beurteilt. Nur wenn sein Zustand den durchschnittlichen Anforderungen daran genügt, ist er in der Lage ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Diese verkehrsspezifische Leistungsfähigkeit setzt sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren zusammen. In der praktischen Anwendung des § 316 StGB wird die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit durch die Begriffe der absoluten und relativen Fahruntüchtigkeit beurteilt.
Die absolute Fahruntüchtigkeit beim Führen eines KFZ wird ab einem Wert von 1,1 Promille angenommen. Dieser Wert ist die absolute Grenze, ab der die Fahruntüchtigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs unwiderleglich vermutet wird. Ein Gegenbeweis, dass der Täter noch fahrtüchtig gewesen sei, ist dann nicht mehr zulässig. Für andere Fahrzeuge, wie das Fahrrad gilt derzeit noch ein Wert von 1,6 Promille für die absolute Fahruntüchtigkeit. Wird diese absolute Grenze beim Führen eines KFZ überschritten, liegt mithin immer eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit vor.
Anders als die absolute Fahruntüchtigkeit regelt die relative Fahruntüchtigkeit keinen absoluten Grenzwert. Die relative Fahruntüchtigkeit beginnt ab einem Wert von 0,3 Promille. Treten zu einem Promillewert von 0,3 Promille oder mehr, alkoholbedingte Ausfallerscheinungen hinzu, kann eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit ebenfalls angenommen werden und eine Strafbarkeit nach § 316 StGB gegeben sein. Dabei ist wichtig zu wissen, dass je höher die festgestellte Alkoholisierung ist, desto geringer die Anforderungen zum Beweis an die Feststellung von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen sind. Diese Ausfallerscheinungen sind zum Beispiel Fahren in Schlangenlinien, leichtsinniges Fahren, Lallen, gerötete Augen und ein glasiger Blick. Also alles Anzeichen, die beim Genuss von Alkohol schnell erreicht werden können.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass im Anwendungsbereich des § 316 StGB, ab einem Promillewert von 1,1 Promille, immer eine tatbestandliche Trunkenheitsfahrt angenommen wird. Ab einem Promillewert von 0,3 Promille kann eine tatbestandliche Trunkenheitsfahrt angenommen werden, wenn alkoholbedingte Ausfallerscheinungen hinzutreten. In diesen Fällen können Sie sich mithin strafbar machen.
Vorsicht: Diese Maßgabe gilt auch für das Führen des Fahrrades, zwar beträgt die Grenze der absoluten Fahruntauglichkeit beim Fahrrad 1,6 Promille, jedoch gelten für eine relative Fahruntüchtigkeit die gleichen Regeln wie beim Kraftfahrzeug. Auch einem Radfahrer kann infolge einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen und der Führerschein eingezogen werden.
Gemäß § 316 Abs. 2 StGB wird auch die fahrlässige Trunkenheitsfahrt von dieser Vorschrift erfasst und unter Strafe gestellt.
Eine unangenehme Folge, die eine Trunkenheitsfahrt im Sinne von § 316 StGB mit sich bringt ist, dass gemäß § 69 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB grundsätzlich die Fahrerlaubnis entzogen wird. Wird die Fahrerlaubnis entzogen, muss diese nach dem Ablauf einer Sperrfrist neu beantragt werden. Ohne die erforderliche Fahrerlaubnis darf das Kraftfahrzeug nicht geführt werden.
2. Ordnungswidrigkeit
Der oft genannte Wert im Zusammenhang mit Alkohol am Steuer von 0,5 Promille, ist keine Grenze für eine Strafbarkeit nach § 316 StGB, sondern die Grenze für die Begehung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG. Demnach handelt ordnungswidrig, wer einen BAK-Wert von 0,5 Promille im Zeitpunkt des Führens eines Fahrzeuges im Straßenverkehr führt.
Eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG hat nach § 4 Abs. 3 BKatV Nr. 241 BKat ein Bußgeld in Höhe von 500,00 € sowie 2 Punkte und 1 Monat Fahrverbot zur Folge. Auch eine Ordnungswidrigkeit kann somit erhebliche Folgen haben.
3. Regelungen für Drogen (Betäubungsmittel)
Beim Konsum von Drogen, der von § 316 StGB unter anderen berauschenden Mittel erfasst wird, gibt es keine absoluten Wirkstoffgrenzen wie beim Alkohol. Vielmehr richtet sich die Fahruntüchtigkeit immer nach der relativen Fahruntüchtigkeit, sodass zum Drogenkonsum Ausfallerscheinungen hinzukommen müssen, damit eine Fahruntüchtigkeit vorliegt. Sollte ein Drogenkonsum beim Fahrer nachgewiesen werden kommt immer auch eine Strafbarkeit nach § 29 BtMG in Betracht, weil die Betäubungsmittel vorher in der Regel erworben worden.
Wird ein Drogenkonsum beim Führen eines Fahrzeuges im Straßenverkehr im Blut oder Urin nachgewiesen, wird ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG begangen, mit den gleichen Folgen wie bei einem BAK-Wert von 0,5 Promille oder höher.
4. Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof bestätigte mit seinem Beschluss vom 13.04.2023 – 4 StR 439/22 die Entscheidung des Landgerichts Oldenburg, einen Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB zu verurteilen. Der Entscheidung des Landgerichts Oldenburg liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Angeklagte führte einen E-Scooter der Marke Ancheer im Rahmen einer Testfahrt auf einem öffentlichen Geh- und Radweg. Dem Angeklagten wurde ca. 75 Minuten nach dem Ende der Fahrt eine Blutprobe entnommen. Diese Blutprobe ergab einen BAK-Wert von 1,29 %.
Der Bundesgerichtshof bestätigte das Landgericht Oldenburg bezüglich einer Strafbarkeit des Angeklagten nach § 316 StGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt der Grenzwert, von dem an eine absolute Fahruntüchtigkeit unwiderleglich indiziert ist, für alle Kraftfahrer (BGH, Beschluss vom 28. Juni 1990 – 4 StR 297/90, BGHSt 37, 89, 99 mwN), insbesondere auch für Fahrer von Krafträdern einschließlich Fahrrädern mit Hilfsmotor (Mofa). Zu den E-Scootern führt der BGH aus:
„Ob an dieser pauschalen Betrachtung auch mit Blick auf die neu aufgekommene Fahrzeugklasse der Elektrokleinstfahrzeuge festgehalten werden kann, hat der Senat bisher offengelassen (BGH, Beschluss vom 2. März 2021 – 4 StR 366/20, NStZ 2021, 608). (…). Denn nach den Feststellungen handelte es sich bei dem vom Angeklagten geführten „E-Scooter“ nicht um ein Elektrokleinstfahrzeug. Dies ergibt sich, ohne dass es weiterer Feststellungen zu der technischen Beschaffenheit des Fahrzeugs bedurft hätte, bereits daraus, dass dieses eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreichen konnte, wohingegen Elektrokleinstfahrzeuge gemäß § 1 Abs. 1 eKFV nur solche Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb sind, deren bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h beträgt. Da das Fahrzeug ausweislich der im Urteil in Bezug genommenen Lichtbilder keine Pedale aufwies, scheidet auch seine Klassifizierung als sog. „Pedelec“ und damit als Fahrrad des Straßenverkehrszulassungsrechts (§ 63a Abs. 2 StVZO) aus.
Im Ergebnis ist daher zweifelsfrei belegt, dass der Angeklagte ein Kraftfahrzeug führte, für das der Grenzwert von 1,1 ‰ Geltung beansprucht, und angesichts seiner festgestellten Blutalkoholkonzentration daher fahruntüchtig war.“
5. Entscheidung des OLG Braunschweig
In der Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweigs vom 30.11.2023 – 1 ORs 33/23, hatte das Gericht über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem ein Angeklagter mit 1,83 Promille einen E-Scooterführte. Das OLG ließ in diesem Fall eine Entscheidung offen, ob eine Grenze von 1,1 Promille oder 1,6 Promille (wie beim Fahrrad) für die absolute Fahruntüchtigkeit beim Führen eines E-Scooters maßgeblich ist, da ohnehin beide Werte überschritten waren. Das OLG das Urteil des Amtsgerichtes Göttingen und damit auch eine Strafbarkeit nach § 316 StGB.
Ergebnis
Im Ergebnis ist festzustellen, dass nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes auch für den E-Scooter ein Grenzwert von 1,1 Promille für eine absolute Fahruntüchtigkeit gelten kann. In anderen Fällen ist, wie aus der Entscheidung des OLG Braunschweig folgt, zumindest der Grenzwert von 1,6 Promille wie beim Fahrrad maßgeblich. Der E-Scooter ist folglich keine Alternative, wenn das Auto stehen bleiben muss. Zumindest ab einem BAK von 1,6 Promille begehen Sie eine strafbare Handlung. Nehmen Sie vor diesem Hintergrund lieber das Taxi zur weiteren Fortbewegung, wenn Sie alkoholhaltige Getränke genossen haben. Beim Führen des E-Scooters sowie des Autos im alkoholisierten Zustand können Sie schnell eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen.
Sollte Ihnen eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorgeworfen werden, ist es aufgrund der erheblichen Folgen von möglichen Bußgeldern, Punkten, Fahrverboten oder dem Entzug der Fahrerlaubnis bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen sehr wichtig, dass Sie mit Bedacht vorgehen. Kontaktieren Sie einen Strafverteidiger, der Sie bei dem weiteren Vorgehen unterstützt. In unserer Kanzlei vertritt Sie in strafrechtlichen Angelegenheiten gerne Rechtsanwalt Herr Henrik Lüth.