Insolvenzanfechtung kongruenter Deckungen, § 130 InsO

Die Insolvenzanfechtung kongruenter Deckungen ist ein komplexes rechtliches Thema. Grundsätzlich soll die Insolvenzanfechtung dem Insolvenzverwalter* ermöglichen, bereits abgeflossenes Vermögen in die Insolvenzmasse zurückzuholen. Einige Tatbestände sind dabei relativ leicht nachvollziehbar, wenn beispielsweise Schuldner bewusst Vermögen verschieben, um das Vermögen vor den Gläubigern zu verstecken.

Die Anfechtung sogenannter kongruenter Deckungen ist für den juristischen Laien indes nicht so leicht nachzuvollziehen. Aus diesem Grund soll der folgende Artikel die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung nach § 130 InsO beleuchten.
(*Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Artikel das generische Maskulinum verwendet. Die in diesem Artikel verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter.)

1. Voraussetzungen für die Insolvenzanfechtung kongruenter Deckungen

2. Rechtsfolge

3. Fazit

1. Voraussetzungen für die Insolvenzanfechtung kongruenter Deckungen

Die Insolvenzanfechtungstatbestände sind in den §§ 129 ff. InsO geregelt. Grundsätzlich sind Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, durch denInsolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechtbar, wobei ein Unterlassen einer Rechtshandlung gleichsteht. 

Weiter muss der Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung erhalten haben. Befriedigung bedeutet Erfüllung. Nehmen wir folgendes Beispiel an:

Der zahlungsunfähige Schuldner ist verpflichtet, seinem Gläubiger wegen einer bereits erfolgten Warenlieferung 10.000,00 € zu zahlen. Am 15.09. zahlt der Schuldner an den Gläubiger die vereinbarten 10.000,00 €. Am 01.10. stellt der Schuldner einen Insolvenzantrag. 

In diesem Beispiel käme § 130 InsO zur Anwendung, da die Zahlung der 10.000,00 € eine kongruente Deckung darstellt. Der Gläubiger hat genau das bekommen, was vertraglich vereinbart war, nämlich 10.000,00 €. Eine inkongruente dagegen wäre anzunehmen, wenn der Schuldner seinem Gläubiger stattdessen einen Pkw im Wert von 10.000,00 € anbieten würde. Der Gläubiger hat hierauf keinen Anspruch, weil ein Pkw zwischen beiden nicht vereinbart ist.

Sodann muss der Schuldner im Zeitpunkt der Vornahme der Handlung – in dem obigen Beispiel der Zahlung von € 10.000,00 – zahlungsunfähig sein. Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach § 17 InsO. Wann Zahlungsunfähigkeit vorliegt hat Rechtsanwalt Maximilian Rohrbach bereits in einem Artikel erläutert. Diesen finden Sie hier.

Der Gläubiger wiederum muss Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder alternativ von dem Eröffnungsantrag haben. Kenntnis ist als positives Wissen zu verstehen. Für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit reicht es aus, wenn der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen und dem Verhalten des Schuldners den zutreffenden Schluss zieht, dass der Schuldner wesentliche Teile seiner offenen Verbindlichkeiten nicht wird tilgen können. Hier kann es ausreichend sein, wenn der Gläubiger Kenntnis von Umständen hat, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. 

Hier ist auf Gläubigerseite insbesondere Vorsicht geboten, wenn der Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung erbittet. Die Bitte des Schuldners um Ratenzahlung kann ein Indiz für eine Zahlungseinstellung sein, wenn der Schuldner erklärt, seine fälligen Verbindlichkeiten anders nicht begleichen zu können.

2. Rechtsfolge

Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, musszur Insolvenzmasse zurückgewährt werden, § 143 InsO. Im Falle einer Anfechtung von kongruenten Rechtshandlungen gemäß § 130 InsO ist zu berücksichtigen, dass die Rückgewährverpflichtung nur Rechtshandlungen betrifft, die 3 Monate vor Stellung des Insolvenzeröffnungsantrags vorgenommen wurden. Nach diesem Tage vorgenommene Rechtshandlungen sind nur dann anfechtbar, wenn der Gläubiger zusätzlich auch den Insolvenzantrag der Schuldner:innen kannte. 

Die Rechtsfolge aus dem Beispiel von oben wäre dementsprechend, – Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit vorausgesetzt – dass obwohl der Gläubiger einen Anspruch auf Zahlung von € 10.000,00 gegen den Schuldner hat, der Insolvenzverwalter die Zahlung gegenüber dem Gläubiger anfechten und damit zurückfordern kann. 

Dem Gläubiger bliebe nichts anderes übrig, als seine Forderung in Höhe von € 10.000,00 zu der Insolvenztabelle anzumelden, was in den meisten Fällen gleichbedeutend mit einer Abschreibung ist. 

3. Fazit

Insgesamt ist die Frage, ob ein Insolvenzanfechtungstatbestand vorliegt, ein hochkomplexes rechtliches Thema. Insbesondere für Gläubiger sollte sich in geschäftlichen Beziehungen zu potentiell insolventen Geschäftspartnern die Frage nach der bestmöglichen Absicherung gegen potentielle Rückforderungen stellen. Unser Insolvenzrechtsexperte Rechtsanwalt Maximilian Rohrbach berät Sie gerne zu allen Fragen rund um das Thema Insolvenzanfechtung.