Aus § 109 Absatz 1 der Gewerbeordnung (GewO) ergibt sich ohne weiteres ein gesetzlicher Anspruch aller Arbeitnehmer* auf Erteilung eines qualifizierten schriftlichen Arbeitszeugnisses bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
(*Aus Gründen der Vereinfachung wird in diesem Text auf die immer noch aktuellen Gesetzesformulierungen „Arbeitnehmer“ und auch „Arbeitgeber“ zurückgegriffen. Der Autor meint damit selbstverständlich diverse, weibliche und männliche Mitarbeitende und Arbeitgebende gleichermaßen.)
Welche Regelungen gibt die Gesetzgebung für Arbeitszeugnisse vor?
Ein Arbeitszeugnis muss Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten und zudem Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis beurteilen. In § 109 Absatz 2 GewO wird ferner ausdrücklich ein Verbot der Verwendung von „Geheimzeichen/Geheimcodes“ sowie einer „Geheimsprache“ durch den Zeugnisaussteller zur verdeckt negativen Beurteilung des Arbeitnehmers bezeichnet.
Soweit zum Gesetzeswortlaut.
Zur praktischen Ausfüllung dieser Regelungen ist gegenwärtig auf folgende zusammengefasste Grundsätze hinzuweisen:
Problematisch erscheint zunächst der Umgang mit dem Verbot der Verwendung von versteckt negativen Merkmalen oder Formulierungen im Arbeitszeugnis. Diese bereits vor der ausdrücklichen Aufnahme in § 109 Absatz 2 GewO von der Rechtsprechung entwickelte Regelung steht offenkundig immer noch im Fokus der öffentlichen Arbeitnehmer-Wahrnehmung. Dies hat zur Folge, dass nahezu jeder beurteilte Arbeitnehmer sein Zeugnis zunächst einmal mit Argwohn betrachtet und vielfach auch durchaus wohlmeinende Formulierungen problematisiert werden.
Dieser Problembereich „Geheimsprache und Geheimcodes der Zeugnisaussteller“ füllt Bücher und ist Thema diverser Internet-Foren. Typische Beispiele sind die Verwendung von Formulierungen wie „bemühen“ oder „pünktlich“ sowie der Geheimzeichen „senkrechter Strich links an der Unterschrift des Ausstellers“(= Gewerkschaftsmitglied) oder schlicht die Verwendung von Unterstreichungen, Anführungs- oder Ausrufungszeichen.
Tatsächlich führt indes nach eigener Erfahrung die öffentliche geführte (Über-) Problematisierung dieser Thematik dazu, dass sich heutzutage kaum noch ein Arbeitgeber dieser Stilmittel bedient, da er nicht damit rechnen kann, mit diesem Vorhaben tatsächlich durchzudringen. Zeugnisaussteller wissen zudem, dass jede ungewöhnliche/individuelle Formulierung im Arbeitszeugnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Beanstandung führt. Daher werden heutzutage Zeugnisse unangenehmerweise in aller Regel nach Schema F abgefertigt, was dem beurteilten Arbeitnehmer bei Neubewerbungen nicht zugute kommen kann.
Dieses Zeugnisschema reduziert sich in seinem Beurteilungswert auf vier Kernbereiche – die Tätigkeitsbeschreibung, die „Zufriedenheits-Formel“, die Verhaltensformel und die Schlussformel.
Die Tätigkeitsbeschreibung
Die Tätigkeitsbeschreibung orientiert sich dabei individuell am einzelnen Arbeitnehmer und muss vollständig sowie chronologisch geordnet sein.
Die „Zufriedenheits-Formel“
Hieran wird sich in der Regel die sog. „Zufriedenheits-Formel“ anschließen, in der allein sich, gleich einer Schulnote, die Beurteilung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ausdrückt. Diese Formel stellt den Kern des Arbeitszeugnisses dar. Hierauf kommt es entscheidend an!
„Der Arbeitnehmer führte alle ihm übertragenen Arbeiten zu unserer vollen Zufriedenheit aus“
Diese Formulierung bezeichnet eine gut durchschnittliche Bewertung der Arbeitsleistung des beurteilten Arbeitnehmers (=Note 3-3+) und stellt den Ausgangspunkt der Bewertungsskala dar. Auf eine solche Bewertung hat grundsätzlich jeder Arbeitnehmer einen Anspruch. Meint der Arbeitnehmer, seine Arbeitsleistungen seien demgegenüber als überdurchschnittlich („stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ = Note 2/ „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ = Note 1) zu bewerten, so muss er nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts diese subjektive Meinung mit Tatsachen, ggf. mit Beweisen belegen. Der Arbeitgeber seinerseits wird unterdurchschnittliche Bewertungen („zu unserer Zufriedenheit“ = Note 4/ „im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit = Note 5) zu belegen haben.
Die Verhaltensformel
Hieran wird sich in der Regel die Verhaltensformel anschließen, die, ebenfalls dem Schulzeugnis gleich, quasi das „Betragen“ des Arbeitnehmers beurteilt. Eingebürgert haben sich hier durchschnittliche Formulierungen wie „höflich“, „korrekt“ oder „in Ordnung“. Zur Hervorhebung werden Zusätze wie „immer“, „stets“, „durchweg“ etc. – „einwandfrei“ verwendet. Eine Herabsetzung schlägt sich in Zusätzen wie „in der Regel“, „durchaus“, „im Allgemeinen“ etc. – „einwandfrei“ nieder.
Die Schlussformel
Zum Abschluss folgt dann üblicherweise die Schlussformel. In diesem Absatz werden Bedauern über das Ausscheiden, Dank für das Geleistete, ggf. auch gute Wünsche für die Zukunft zum Ausdruck gebracht. Einen Anspruch auf Verwendung einer solchen Schlussformel im Arbeitszeugnis besitzt der beurteilte Arbeitnehmer nicht. Taucht Sie aber im Zeugnis auf, so muss sie dem insgesamten Zeugnisinhalt entsprechen. Früher beliebte entwertende Formulierungen („Wir wünschen alles Gute, insb. Gesundheit“…) sind heutzutage so gut wie nicht mehr vorzufinden.
Abschließend sei der Hinweis erlaubt, dass der beurteilte Arbeitnehmer sein Arbeitszeugnis nicht von Haus aus überproblematisieren und einem individuell abgefassten Zeugnistext durchaus positiv gegenüberstehen sollte. Bestehen gleichwohl in der einen oder anderen Frage Unklarheiten, so mag eine anwaltliche Beratung, ggf. auch ein Vorgehen gegen den Zeugnisaussteller, der Sache selbstverständlich dienlich sein. Bei individuellen Rückfragen zu dieser Thematik berät sie in unserem Haus gern Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Fuchs.